Die Kunst der Stege

Der Steg ist einer der wichtigsten Teile des Streichinstrumentes. Nach dem Spiegel aus dem Stamm gespalten, zeigt er auf seiner Oberfläche kleine glänzende Flächen. Das sind die Markstrahlen des Baumes. Der auf magerem Boden gewachsene Bergahorn hat besonders viele dieser kleinen „Spiegel“ und wird auch wegen seiner Dichte und Härte zum Stegbau bevorzugt.
Leider wird das Holz dieser Bäume immer seltener, die geschlagenen Durchmesser schrumpfen seit Jahrzehnten. Die Furnierwerke bieten Unsummen für dieses schöne Holz und treiben die Preise so in die Höhe. Die wenigen Firmen, die noch Kontrabass Stege schneiden, schütteln immer mehr bedauernd den Kopf, wenn man sie auf diese 1A Qualität anspricht. Dabei ist es aber genau dieses Holz, das tonlich die besten Resultate ergibt. Auch gegen das gefürchtete Durchbiegen sind diese dünnen Bretter nahezu endlos gefeit.

Seit vielen Jahren sammle ich deswegen 1 A Stege und reise durch die Welt um die schönsten Stücke zu ergattern. Es ist wie mit gutem Wein, auch die Stege kann man ewig lagern,  sie werden nur besser. So habe ich kürzlich aus einem Nachlass einige Bass Stege gekauft, die sicher 50 Jahre alt sind und aus steinhartem Holz gefertigt sind. Denn es gibt nichts Aergerlicheres, als auf einen schönen Bass einen schlechten Steg stellen zu müssen.

Einige dieser Stegbauer sind wahre Künstler. Auf dem Foto oben sieht man einen 1A Steg, in den der geniale Stegbauer von Hand meine Initialen gesägt hat. Wenn man mal Zeuge einer solchen Meisterleistung wird, weiss man, was handwerkliche Kunst ist. Auf dem Foto rechts sieht man einen kleinen Teil meiner Stegsammlung. Die verschiedenen Formen habe alle ihre klanglichen Eigenheiten. Dazu kommen noch die verschiedenen Grössen, passend zu den Grössen der Kontrabässe. Der sehr alte, grosse Steg oben ist nicht für einen existierenden Bass geschnitten worden, sondern sollte zeigen, wie gross früher die Bergahornbretter waren, aus denen man Stege schnitt.
Sehr wichtig ist auch das genaue, luftdichte Aufpassen der Stegfüsse auf die individuelle Deckenwölbung jedes Basses. Diese Arbeit ist heikel und erfordert viel Geduld und Erfahrung. Von der Genauigkeit dieser Arbeit und der Qualität des Holzes hängt der Sound des Basses entscheidend ab. Auch die obere Wölbung des Steges ist von äusserster Wichtigkeit. Denn der Abstand der Saiten zum Griffbrett entscheidet über Spielkomfort oder Qual.

Es macht Spass, diesen traditionellen und wahren Werten des Geigenbaues nachzuspüren. Leider sieht man auch immer wieder Bedenkliches. Angeblich selbstanpassende Füsse verformen die Deckenwölbung, billiger Feldahorn dient als Ersatz für den Steg oder hastig angepasste Stegfüsse beschädigen den schönen Lack. Doch es liegt bei jeden einzelnen Bassisten, ob er sich dergleichem hingibt, oder ob er auf der alten schönen Qualität beharrt.

In diesem Sinne, viel Spass und bis gleich, Euer

Giorgio Pianzola,
Kontrabassbauer

© Copyright Text und Fotos Giorgio Pianzola Bern 2011

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