Griffbrett Bruch

Da-fehlt-was1_net Eine häufige Reparatur am Kontrabass ist ein abgefallenes Griffbrett. Und mit „abgefallenem Griffbrett“ meine ich wirklich abgefallen. Mitten während dem heissestes Solo fällt das Griffbrett gute 16 cm nach unten und kracht mit einem heftigen Schlag auf den Steg, bevor es sich wie in Zeitlupe unter den Fingern des völlig geschockten Bassisten wegdreht und auf den Bühnenboden scheppert. Als Bassist können Sie sich in einem solchen Moment der grössten Bewunderung der Zuhörer sicher sein. Noch bevor Sie selber begriffen haben, was passiert ist, wird der gesamte Saal in Begeisterungsstürme ausbrechen und ihre vermeintlich artistische Einlage mit einem grossen Applaus honorieren. Nun ist es an Ihnen, die Situation zu retten: lächeln Sie, verbeugen Sie sich, geniessen Sie die Aufmerksamkeit und empfangen Sie die Huldigung, aber spielen Sie auf keinen Fall weiter, das wäre fatal. Heben Sie dezent die freie Hand und stimmen Sie den Bass so schnell wie möglich mehrere Ganztöne nach unten. Ihre Mitmusiker werden ebenso aufgehört haben zu spielen und werden die Situation teils amüsiert, teils erstaunt betrachten. Bis jeder begriffen hat, was da vor sich geht und bis man entschieden hat, wie das Konzert weitergeht, wird es eine Weile dauern. Retten Sie ihr Griffbrett und ihren entspannten Bass und bringen Sie beides in Sicherheit. Sollte der Steg noch stehen, umso besser. Da kann der Saitenhalter keine Kratzer in den schönen Lack ritzen. Ansonsten sichern Sie die losen Teile mit Papiernastücher und Klebestreifen.

Leimnut-Blog Das Griffbrett besteht aus dem extrem harten und dichten Ebenholz. Der mächtige Saitenzug von 120 Kilo kann von dem schwachen Ahornhals nur Dank der Verleimung mit diesem kräftigen Griffbrett aushalten. Da das Ebenholz aber sehr dicht ist, ist eine Verleimung schwierig. Die Poren des schwarzen Holzes sind klein und nehmen den Leim schlecht an. Auf Druck hält die Verleimung recht gut. Auf Scherkräfte oder gar auf Zug ist die Verleimung aber gar nicht gut zu sprechen. Die zusätzliche Nut, die man im Griffbrett einfräst, dient dazu, die Leimfläche zu erhöhen und dem Leim die zur Härtung benötigte Luft zuzuführen. Nachdem man sowohl die Leimfläche am Hals, wie auch die Griffbrettunterseite perfekt planiert hat, verleimt man das Griffbrett wieder mit dem Bass. Es versteht sich, dass man das Griffbrett nach der Verleimung nochmals spielfertig abrichten muss. Denn jede Verleimung bringt Spannungen mit sich, das lässt sich nicht vermeiden.

So-Nicht Deswegen sollte man, wie im Foto rechts ganz gut gezeigt wird, den Kontrabass nie am Griffbrettende hochheben. Der lange, freischwebende Teil des Griffbrettes bildet einen Hebel und schon die kleinste Erschütterung beim Transport kann das Griffbrett anlösen. Die Vibrationen beim Spiel der tiefen Frequenzen und der permanente Saitenzug von 120 Kilo tragen das ihre bei und schon reisst das Griffbrett vom Hals weg. Sie können sich zwar verneigen und einen Sonderapplaus geniessen, der Gang zum Geigenbauer aber schmälert dieses Hochgefühl doch etwas. Zudem reisst das Griffbrett nicht immer glatt ab. Es können sich durchaus auch splitterige Risse bilden, die eine Reparatur erschweren oder gar verunmöglichen.

Zargengriff_blog Weitaus besser, bequemer und ungefährlicher lässt sich der Bass mit der Hand im Innenbügel tragen. Der mit Decke und Rücken verleimte Zargenkranz hält den Saitenzug und das Eigengewicht des Basses viel einfacher aus. Die zwar dünnen Bretter der Zargen sind mit zusätzlichen Reifchen verstärkt und durch die Verleimung extrem stabil. Zudem behält man in dieser Position den exponierten Steg immer im Auge. Denn jeder Schlag auf diesen hervorstehenden Teil kann seine Position auf der Decke verschieben und die Stegkurve zu Griffbrettkurve verändern. Das sind zwei für die Bespielbarkeit wichtige Parameter. Doch auf die gehe ich ein andermal ein.

In diesem Sinne viel Spass und bis gleich wieder mal hier, auf meinem Kontrabassblog

Ein schöner Sommer wünscht Euch allen

Giorgio Pianzola, Kontrabassbauer

© Copyright Text und alle Fotos Giorgio Pianzola, Bern 2015

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